Thursday 29 January 2009

Der Tod von Radio MultiKulti - auch die Öffentlich-Rechtlichen haben Leichen im Keller

Foto: Lutz Schramm

Artikel erscheint im Blicklicht, Februar 2009


Darwin hat mal wieder Recht behalten: Der im Kampf ums Überleben am besten an seine Umwelt angepasste überlebt. Fressen und gefressen werden. Radio MultiKulti wurde einfach zum Frühstück verputzt. In der Silvesternacht hat der multikulturelle Radiosender den letzten Ton von sich gegeben.

Grund dafür ist eine Sparmaßnahme des RBB, dem 54 Millionen Euro im Etat für 2009 fehlen. Die Öffentlich-Rechtliche Rundfunkanstalt wird zwar von GEZ-Gebühren finanziert, jedoch sind 14,5 Prozent der Haushalte in Berlin und Brandenburg wegen Sozialhilfe von den Rundfunkgebühren befreit. Der RBB-Sprecher Ralph Kotsch sagte: "Wir wollen nicht mit dem Rasenmäher gleichmäßig alles beschneiden. Stattdessen könnten einzelne Elemente vollständig entfallen.“ Mit einem Marktanteil von 0,8 Prozent, also täglich 37.000 Hörern, war Radio MultiKulti das schwächste Glied und musste gehen.

So unbekannt war der Radiosender dann aber doch nicht. Ein halbes Jahr lang wurde das Aus des Senders in den nationalen Medien diskutiert. Sogar bis nach London reichte sein Bekanntheitsgrad. Roza Tsagarousianou, Dozentin an der University of Westminster in London, sprach in ihrer Vorlesung über Multikulturalismus und Medien über die Vorbildfunktion von Radio MultiKulti, da es so ein Format in Europa kein zweites Mal gebe.

Radio MultiKulti sendete seit 1994 in 21 verschiedenen Sprachen. Am Tage war die Moderatorensprache jedoch deutsch, um eine „beidseitig befahrbare Brücke zwischen dem deutschen und nichtdeutschen Publikum“ zu bauen. „Integration ist keine Einbahnstraße“, so die Chefredakteurin, Ilona Marenbach. Das deutsch der Moderatoren war allerdings oft nicht akzentfrei, um weiterhin multikulturell bleiben. Ab 17 Uhr ging es dann auf englisch, französisch, sorbisch, türkisch oder anderssprachig weiter und ab 22 Uhr gab es dann die „Weltmusikspezialsendungen“ verschiedener Hörfunksender. Die Musik war vielseitig und stammte aus der ganzen Welt. Es sollte ein Programm für alle sein.

Von einem Programm für alle träumte schon John Reith, der Gründervater der BBC – ein Konzept, das ein Vorbild für die Öffentlich-Rechtlichen Rundfunkanstalten war. Als Reith den ersten Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk der Welt plante, hatte er die Vision, ein Programm zu entwickeln, welches bildet und unterhält und zwar alle. Durch Gebühren sollte sichergestellt werden, dass auch Minderheiten auf ihre Kosten kommen und ihre Sendungen nicht aufgrund von kommerziellen Wettkämpfen gestrichen werden müssen. Doch was John Reith vor über 80 Jahren zu verhindern versuchte, ist jetzt mit Radio MultiKulti geschehen. Trotz GEZ-Gebühren wurde ein wichtiges Integrationselement wegen finanzieller Probleme einfach ausgelöscht. „Keine Ausländer-raus Politik beim RBB“ hießen die Forderungen von Politikern. Die Staatsministerin für Integration, Maria Böhmer (CDU), sagte, die Schließung des Senders wäre „aus integrationspolitischer Sicht das falsche Signal“. Doch jetzt sind die deutschen Medien wieder monokulturell.

Auf jedem Sender kommt das gleiche Pop-Gequake. Daran ändert auch das Funkhaus Europa nichts, das als Alternative zur Verfügung gestellt wurde. Dem Sender des WDR, mit einer Zentrale in Köln, ist es nicht möglich, regionale Informationen an die Berliner und Brandenburger weiterzugeben. Radio MultiKulti war für die Metropole Berlin perfekt zugeschnitten – der neue Sender, Funkhaus Europa, ist da nur ein Abklatsch. „Einige Formate von Radio Multikulti wurden übernommen, nicht jedoch sein Geist“, schrieb Anetta Kahane im Tagesspiegel Anfang Januar über den Ersatz. Akzente gibt es beim Funkhaus nicht. Und Politik erst recht nicht. Beim Radio MultiKulti waren andere Ansichten erlaubt, es wurde viel gestritten und diskutiert. Die gesetzten Schwerpunkte waren ungewöhnlich, es wurde gegen den Strich gebürstet. Das Funkhaus Europa ist dagegen einfach nur langweilig.

Ein kleiner Trost: Einige ehemalige Mitarbeiter des Senders führen Teile des Programms im Internet in der Plattform Multicult 2.0 weiter. Doch das bringt Radio MultiKulti trotzdem nicht wieder zurück. Anstatt ein paar Programme der 0815-Sender zu drosseln, musste ein einzigartiges, aber leider zu unbekannter, Sender weg. Auch bei den Öffentlich-Rechtlichen geht es nur um Geldmacherei. Schade, denn „Radio MultiKulti war die ganze Welt in einer Nussschale – ein tönender Globus, auf dem man im Bruchteil einer Sekunde von Alaska nach Patagonien reisen könnte“ um es mit Henryk M. Broders Worten im Tagesspiegel auszudrücken.

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