Thursday 29 January 2009

So feiert die Queen Weihnachten


Artikel erschienen im Blicklicht, Januar 2009



Übel schmeckende Würstchen mit Schinken umrollt, brennender Kuchen und Metallstücke im Abendessen. Nein, ganz so schlimm ist meine Kochkunst auch nicht. Man muss all dies jedoch ertragen, wenn man bei einem Engländer zu Weihnachten zu Besuch is(s)t.


Die Briten fangen schon am 1. November mit dem Weihnachtsshopping an. Das ist auch die Zeit, in der die ersten Weihnachtslieder im Radio gespielt werden – und in der Disko. Und die meisten finden das sogar noch cool.


Während man im Supermarkt oft vergebens nach langen Reihen voller Schokoladenweihnachtsmänner und Lebkuchen sucht, machen die vielen Karten-Geschäfte Millionen-Gewinne. In England gibt es in jeder Straße mindestens drei Geschäfte, in denen man ausschließlich Karten für jede Gelegenheit kaufen kann. Zur Weihnachtszeit beginnt dann der Karten-Wettlauf. Wer bekommt die erste Karte? Wer bekommt die meisten? Die Errungenschaften werden im ganzen Haus auf Wäscheleinen gehangen.


Aber dies ist nicht die einzige Verunstaltung der englischen Wohnungseinrichtung zur Weihnachtszeit. Den Tannenbaum gibt es auf der Insel noch gar nicht so lange. Erst der deutsche Mann von Königin Viktoria hat diese Tradition mitgebracht. Der Baum wird also erst seit knapp zwei Jahrhunderten furchtbar kitschig beschmückt. Aber dabei bleibt es nicht. Wenn der Engländer an dem Punkt angelangt ist, dass nichts mehr auf den Tannenbaum passt, geht es in der gesamten Wohnung weiter. So wimmelt es im ganzen Haus und sogar im Garten nur so von glänzenden Kugeln, Ketten und Papierschlangen. Papierschlangen?


Die angeblich so zurückhaltenden Briten lassen Ende Dezember ganz schön die Sau raus. Nicht nur mit Papierschlangen, aber auch mit Papierhüten und Feuerwerk wird Sylvester schon mal eine Woche vorverlegt. Außerdem werden überall Mistelzweige aufgehängt. Treffen sich Mann und Frau unter einem dieser Zweige, müssen sie sich küssen. Das gibt ein Rumgeknutsche. Von wegen prüde Engländer.


Der 24. Dezember, in Deutschland der aufregendste aller Weihnachtstage, ist dagegen in England eher öde. Die Geschäfte haben bis nachts offen, damit noch schnell die letzten Besorgungen gemacht werden können. Die Engländer haben es nämlich nicht so mit der Pünktlichkeit, auch wenn allgemein das Gegenteil behauptet wird.


Deswegen gibt es die Geschenke verspätet, am 25. Dezember. Aber vielleicht braucht der Weihnachtsmann auch so lange bis nach England. Da kommt er nämlich erst früh um 2 Uhr an und muss durch sämtliche Schornsteine kriechen um seine Geschenke in den am Kamin hängenden Strümpfen zu verteilen. Weil er so einen langen Weg hatte, hat ihm jedes Kind einen Portwein und eine Schale Gebäck auf den Tisch gestellt.


Die Geschenke werden von den Kindern traditionell am 25. Dezember um 6 Uhr früh noch im Schlafanzug aufgefetzt, bevor sie der übermüdete Vater, noch betrunken vom Portwein, zur Weihnachtsmesse zerrt. Die Mutter bereitet währenddessen das spektakuläre Weihnachtsessen vor. Dieses besteht aus einem mit Maronen gefüllten Truthahn, Sojabohnen, Rosenkohl, Kartoffeln, Bratensoße, Preiselbehrsoße und Mini-Würstchen, die mit deutschen Wienern überhaupt nicht zu vergleichen sind, mit Schinken umrollt. Als Dessert gibt es das Highlight: Den brennenden Kuchen, auch Plumpudding genannt, der aus Früchten, Rosinen und Nierenfett hergestellt, mit Brandy übergossen und angezündet wird. Wer dann beim Verzehren ein Pence-Stück im Essen findet, darf sich was wünschen. Das ist ja wohl auch das Mindeste, was man erwarten kann, für den ausgebissenen Zahn.


Den Höhepunkt bildet die Weihnachtsrede der Queen, die von allen Engländern vor dem Fernseher verfolgt wird. Danach tanzen Kinder und Jugendliche maskiert im Wohnzimmer, während die Erwachsenen vor dem Kamin Gruselgeschichten lesen. Das war’s dann wohl mit der stillen Nacht, heiligen Nacht.

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