Friday, 14 November 2008

ALDI und LIDL erobern die Welt

Dass die Engländer nicht die leckerste Küche der Welt haben, ist weit verbreitet. Engländer lieben Milch im Tee, Essig auf Chips und klebriges Toastbrot an den Zähnen. Ich habe im ersten Jahr hier in London mit Dr. Oetker Pizza Hawaii, den Kühne Gewürzgurken und den Müller Joghurts, die es in jedem englischen Supermarkt gibt, mein Heimweh versorgt. Auch habe ich das Gelächter über mich ergehen lassen, wenn ich meine „Stullen“ ausgepackt habe. Die Engländer lachen darüber und nennen es „Früchtebrot“, andere wissen gar nicht was es ist.
Ansonsten habe ich versucht, mich anzupassen und das zu essen, was auf den Tisch kommt bzw. in den Supermarkt. Doch Irgendwann hörte ich, dass es auch LIDL und ALDI in England gibt. Voller Hoffnung auf genießbare Lebensmittel machte ich mich also auf den Weg.

Als ich aus der U-Bahnstation „Kingsbury“ trat, befand ich mich in einer anderen Welt. Fast alle Menschen auf der Straße hatten ihre Köpfe mit Tüchern bedeckt und unterhielten sich in Sprachen, die ich nicht verstand. Neben ALDI wurden orientalische Teppiche verkauft und Fleisch aus dem Tariq Halal Geschäft. Als ich aber den kleinen Konsum betrat, befand ich mich auf einmal in Deutschland. Ich langte sofort zu den „Schogetten“, die ich noch nie zuvor in England gesehen hatte. Gleich daneben lagen kleine Schokoladenweihnachtsmänner. Ich musste lachen, weil mich das an den letzten Nikolaus erinnerte, an dem ich ein Päckchen voller Schokoladenweihnachtsmänner von meiner Mutter erhielt. Meine Mitbewohner starrten mit offenem Mund auf die Süßigkeiten. So etwas hatten sie in ihrem Leben noch nicht gesehen.
Weiter ging es zu den so typisch deutschen Supermarktwühltischen, die so gut wie alles beinhalten. Von Töpfen zu Seidenstrumpfhosen, Bügelbrettern und kleinen Holzregalen.

Als ich mich LIDL näherte, bekam ich gleich einen ganz Hauch Deutschland ins Gesicht gepustet. Vor dem Eingang standen Einkaufswagen, in denen man Ein-Pfund-Stücke stecken musste, um sie zu benutzen. Für den Deutschen ist das das Normalste der Welt, nicht aber für den Engländer. Erst heute früh bin ich über eine Leiche von Einkaufswagen gestolpert, die von betrunkenen Studenten vom Supermarkt um die Ecke mitgenommen wurde. Beliebt ist hier das Spiel: „Wer landet zuerst, in einem Einkaufswagen sitzend, im Busch?“
Auch von innen sah dieser Supermarkt genauso aus wie mein LIDL-Supermarkt bei mir zu Hause in Deutschland.

Als ich am „Vitafit Multivitamin Fruchtsaft“ und den „Haselnusswaffeln mit Schokolade“ vorbeilief, dachte ich, ich hätte Deutschland nie verlassen. Spätestens nach der „Gewürzgurken Auslese“ und den „Kräuterbutterbaguettes“, die es sonst nirgendwo in England gibt, fragte ich mich ernsthaft, woher die Engländer wissen, was sie da kaufen. Alles war auf Deutsch.
Der Biertrinker kommt hier auch nicht zu kurz. Will jemand in England deutsches Bier, muss er Becks trinken oder zu Lidl gehen. Dort gibt es „Franziskaner Hefe-Weisse“, „Grafenwalder“ und „Finkbräu“.

Trotz des riesigen Angebots an deutschen Produkten sind die meisten Käufer weder deutsch, noch englisch. Dafür verhalten sie sich dann auf die typisch deutsche Art. Während die Käufer in anderen englischen Supermärkten sich entschuldigen, dass man ihnen auf die Füße tritt, rumpeln die LIDL-Käufer rücksichtslos durch die Gassen, rempeln andere Leute an, ohne sich zu entschuldigen und entfachen Kriege an den auch bei LIDL vorhandenen Wühltischen.
Auch das Nichtvorhandensein von vegetarischen Produkten fiel bei den LIDL- und ALDI-Supermärkten in England auf. Nun ist dies nichts Neues. Schön wäre es aber doch, wenn die verschiedenen Kulturen voneinander lernen könnten. Denn Vegetarier fühlen sich bei Sainsbury’s und Tesco wie im Paradies, da sie eine riesige Auswahl von vegetarischen Produkten auf mindestens zwei Regalen verteilt, haben. Zugegeben, dafür hat der Chips-Esser dann auch die gleiche Auswahl an Chips.

Während die Deutschen das Angebot an vegetarischen Nahrungsmitteln überdenken sollten, wäre frischere Ware in England angebracht. In englischen Internetforen schwärmen die ALDI- und LIDL-Fans von dem frischen Obst und dem lange haltenden Toastbrot. Kauft man etwas in englischen Supermärkten, muss man es innerhalb der nächsten zwei Tage essen. Drei Tage nach dem Kauf ist das Toastbrot dann komplett grün.

Auch die Verkäufer in den englischen deutschen Supermärkten sind genauso unfreundlich wie zu Hause. Geht man in einen englischen Supermarkt, wird man immer gefragt, wie es einem geht. Natürlich steht man dafür auch länger an, denn Rentner fangen dann manchmal an, ihre Lebensgeschichte zu erzählen. Auch packen die Verkäufer die Einkaufstüten, was gut gemeint ist, aber viel zu lange dauert.

Fazit: Will man eine Lebensmittelvergiftung in England umgehen, empfiehlt sich ab und zu ein Gang in einen deutschen Supermarkt. Legt man beim Einkaufen jedoch mehr Wert darauf, auf die feine englische Art behandelt zu werden, dann lohnt sich ein Besuch eines englischen Supermarktes eher.

Ich für meinen Teil werde wohl jetzt immer zwischen deutschen und englischen Supermarktketten hin- und herpendeln, denn in der Zwischenzeit habe ich auch die englische Esskultur schätzen gelernt und viel mehr noch die Umgangsweise in den Supermärkten. Vielleicht sollten sich die beiden Kulturen austauschen – sie würden beide nur Vorteile daraus ziehen.

published in Blicklicht (page 7), November 2008

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